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Freundschaft

Liebes Tagebuch,

es heißt Freundschaft, weil man mit Freunden alles schafft, oder?

 

Freundschaft bedeutet für mich Spaß, tiefe und/oder philosophische Gespräche, Loyalität, Vertrauen, Verlässlichkeit, Lachen, Erinnerungen, eben einfach eine gute Zeit haben, aber vor allen Dingen mich heimisch zu fühlen, egal wie lange ich jemanden nicht gesehen oder gehört habe. Als gäbe es ein unsichtbares Band, was mich immer mit Freunden verbindet. Aber auch in einer Freundschaft kann es zu brisanten Themen, Diskussionen, Unstimmigkeiten / Missverständnissen und evtl. auch mal Streit kommen. Freundschaft ist nichts selbstverständliches, sondern in meinen Augen eine andere Art von Beziehung, geprägt von Höhen und Tiefen. Auch eine Freundschaft muss man pflegen. 

 

So wie nicht jede Beziehung Stand hält, scheitern auch manchmal Freundschaften. Menschen kommen und gehen. Manche füllen einen Lebensabschnitt und manche nur ein Kapitel. Manche steigen vielleicht auch nur für ein Kapitel aus und sind im nächsten wieder vorhanden. Während man sich früher sicher war, dass man unzertrennlich ist und seinen Buddy für’s Leben gefunden hat, so merkt man später vielleicht, dass man sich unterschiedlich entwickelt und möglicherweise auseinandergelebt hat. Ein schleichender Prozess, der anfangs gar nicht so spürbar ist und irgendwann doch Gewicht bekommt. 

Doch wann ist der Moment gekommen von einer Freundschaft abzulassen, weil man kaum noch einen Mehrwert verspürt, sondern eher negative Aspekte damit verbindet? Wenn es sich eher wie eine Belastung anfühlt und Stress auslöst, statt Freude? 

 

Freunde sind wichtig. Genau wie Familie stützen sie dich, wenn dein Kartenhaus bricht. Aber eben auch nur die „Richtigen“. Die These, dass man nur 2 bis 3 wahre Freunde hat, bekommt für mich immer mehr Gewicht. Teilweise bin ich noch immer auf dem Standpunkt, dass ich sage, dass es nicht stimmt. Aber mittlerweile glaube ich, dass an dieser Aussage mehr dran ist, als ich es immer gedacht habe. Ich habe mehr als 2 bis 3 Freund*innen. Ich spüre immer mehr, dass Freund nicht gleich Freund ist. So einige meiner Freundschaften, für die ich vor 3 bis 4 Jahren noch so dankbar und glücklich war, stehen heute manchmal auf dem Prüfstand. Wo ich wieder bei der Ausgangsthematik bin. Wann ist es Zeit jemanden ziehen zu lassen? Gerade Personen, die ich länger kenne, mit denen ich so viele unzählige, schöne und lustige Momente erlebt habe, wo wir uns gegenseitig die Tränen getrocknet und uns gemeinsam gegen die anderen gestellt haben…

 

Ich habe 3 Girls und wir bilden zu 4. eine richtig dufte Gruppe. Wir kennen uns jetzt alle ca. 10 Jahre und unsere 4er Konstellation gibt es seit 7 Jahren. Und auch wir haben schon die eine oder andere kleine Krise gemeinsam durchgestanden.

 

In einigen Punkten sind wir ähnlich, aber es gibt auch Punkte, wo wir unterschiedlicher nicht sein können. Gerade wenn es um so Thematiken geht, bestimmte Informationen miteinander zu teilen. Hier prallen unterschiedliche Erwartungshaltungen aufeinander. Allgemein wie man sich allen gegenüber in bestimmten Lebenslagen verhalten sollte. Und derweil sollte doch eine Freundschaft nicht an Erwartungen festgemacht werden, oder?


Gefühlt gab es solche Probleme früher nicht. Ich frage mich, ob es daran liegt, dass wir zusammengearbeitet und uns fast jeden Tag gesehen haben. Wir waren uns nah, konnten uns ins Gesicht gucken und dem anderem ansehen, wenn etwas nicht stimmt. Wir haben uns gemeinsam entwickelt und gemeinsam mit den anderen neue Kapitel in unseren Leben aufgeschlagen.

 

Was wir alle gemeinsam haben, ist eine gewisse Harmoniebedürftigkeit. So kam es früher eher weniger zu Streit und Diskrepanzen. Jetzt habe ich das Gefühl, bekommt unser Konstrukt langsam ein paar Risse.


Die erste große Hürde damals war Corona, verbunden mit Home-Office. Auch bei uns war die Impfthematik kurz mal ein heißes Thema, bis wir uns entschieden haben, nicht weiter darüber zu reden. Jeder hat seine Meinung und jeder möge bitte selbst entscheiden, ob er sich impfen lässt oder eben nicht. Diese Thematik war zusätzlich noch mit meinem Umzug in eine andere Stadt gepaart. Aus jeden Tag sehen, wurde erst mal ‚dosiertes‘ sehen und dann eben auch nicht mehr zu 4., sondern eher zu 2. Und für mich war die Option spontan mal kurz bei jemandem zum Kaffee vorbei zu fahren dann eh gänzlich erloschen, in dem Moment wo ich mich ‚verabschiedete.‘ Das war eine sehr aufregende Zeit, nicht nur für die Girls, sondern vor allem für mich. In meinen Augen haben wir das bisher ganz gut hinbekommen und ‚bewältigt‘. Aber klar gab’s hier zwischendrin auch mal die eine oder andere Achterbahn der Gefühle.


Da ich lediglich die Stadt gewechselt, aber noch denselben AG hatte, waren wir darüber dennoch irgendwie verbunden. Als ich mich dann entschied intern zu wechseln und es den Girls vermittelte, sprangen die anderen auf den Zug mit auf und wechselten mit mir. Die eine oder andere etwas später, aber Fakt ist, wir wechselten alle im gleichen Jahr. Das war in meinen Augen unsere 2. Hürde. Ob die anderen Girls das auch so empfunden haben, weiß ich ehrlich gesagt nicht genau, weil ich niemals mit ihnen darüber geredet habe. Alle anderen waren zum damaligen Zeitpunkt bereits im Home-Office, während das für mich ganz neuer Raum war. Die Girls und ich haben uns nach der Einarbeitungszeit immer per Video verabredet. Das war anfangs gut und schön und gab mir eine gewisse Struktur, aber entwickelte sich für mich irgendwie zu etwas, was mir die Luft zum Atmen nahm. Es gab gefühlt keinen Tag in dem wir uns nicht über die Kamera gesehen und gequatscht haben, da unsere Arbeit stille Arbeit gewesen ist und wir sie parallel erledigen konnten. Wer sich jetzt fragt, wo genau der Unterschied zu früher ist: Früher konnten wir nicht die ganze Zeit parallel während der Arbeit quatschen. Früher hatten wir vermehrt Früh- und Spätdienst und damit verbunden unterschiedliche freie Tage, da wir auch am Wochenende gearbeitet haben. Und…ich finde, dass es was Anderes ist, sich über die Kamera zu sehen, als tatsächlich live und in Farbe. Zurück zur eigentlichen Thematik: Irgendwann hatten wir uns kaum noch etwas zu sagen. Wehe man ist nicht im Videocall aufgetaucht oder hat sich mal zum Telefonieren abgemeldet – Da war das ‚Geschrei‘ groß und man durfte sich erst mal rechtfertigen. War man stiller als sonst, wurde es schwer hingenommen, wenn man sich einfach mal nicht so gefühlt hat. Wurde eine Gruppenaktivität geplant und man hat nicht direkt zugesagt – Puh – ebenso schwierig. Vielleicht stelle ich es gerade auch etwas überspitzt dar, aber für mich fühlte es sich nicht mehr schön an, sondern teilweise etwas belastend. Für mich änderte sich das, als ich den Job gewechselt habe. Und seitdem bin ich auch wieder voll fein. Die anderen 3 arbeiten immer noch zusammen. Ich habe aber schon vernommen, dass sich die Position der einen oder anderen verändert hat, die eine oder andere sich mehr in Terminen befindet und sie sich jetzt nur noch freitags regelmäßig im Videocall treffen, um das Wochenende einzuleiten. Daraus würde ich schließen, dass es denen vielleicht auch irgendwann zu bunt war.


Tja…ich glaube jetzt befinden wir uns bei unserer 3. großen Hürde. An der Stelle möchte ich nichts weiter Preis geben, aber ich glaube, ich habe seit langer Zeit nicht mehr so viel mit jeder einzelnen von den Girls geschrieben oder telefoniert. Ich würde behaupten, dass ich mich vermutlich in der ‚besten‘ Position befinde, weil ich weiter weg bin und eben auch nicht mehr mit den anderen zusammenarbeite. Man hat weniger Reibungspunkte, kann weniger ‚beobachten‘ und schaut auf einige Dinge eher ‚neutral‘. Aber ja bei der einen oder anderen Lady ist es schon sehr ernst, wo eben doch die Freundschaft zu der einen oder anderen komplett in Frage gestellt wird. Uuuffff….Meiner Meinung nach ist das übertrieben. Es hat niemand den anderen beleidigt, war illoyal o. ä. Und dennoch bekomme auch ich einen völlig neuen Blick auf unsere 4er Konstellation, was mich nachdenklich stimmt.

 

Auch wenn wir uns lieben, sind wir irgendwie gerade nicht homogen. Was ist passiert? Haben wir uns verändert? Hat sich vielleicht nur eine einzelne Person von uns geändert? Sind uns mittlerweile andere / unterschiedliche Werte wichtig? Ist das der Moment, wo man nicht wie früher die Dinge hinnimmt, sondern klar und deutlich ausspricht? Oder gibt es das verflixte 7. Jahr auch in Freundschaften?

 

Und um ganz ehrlich zu sein: Es lässt auch mich den einen oder anderen Punkt in Frage stellen und das obwohl ich nicht wirklich in den ‚Disput‘ verankert bin.


Fakt ist, dass ich bei den Girls nicht loslasse. Bei keiner einzigen. Mal unabhängig, dass mir keine von den Girls etwas getan hat, bin ich eh jemand, der eher zu lange an Dingen und Personen festhält. Dazu gehören auch Personen, die mir nicht guttun und ja, der*die eine oder andere Freund*in war auch schon dabei. Aber manchmal war’s auch gut, dass ich nicht aufgegeben habe, da sich bei manchen Freundschaften alles wieder eingerenkt hat. Auch mit meiner besten Freundin habe ich schon die eine oder andere Talfahrt erlebt, wo wir durchaus mehrere Wochen / Monate keinen Kontakt hatten. Der eine oder andere hätte vielleicht bereits die Flinte ins Korn geschmissen, aber ich denke mir, dass ich solche Menschen nicht einfach gehen lassen kann und möchte. Ich bin diesbezüglich eine Kämpferin. Es ist wie bei der Ehe – In guten wie in schlechten Zeiten. Was wäre ich für eine Freundin, jemanden in ‚schlechten Zeiten‘ fallen zu lassen?






Natürlich kommt es auch ein bisschen darauf an, was genau vorgefallen ist. Aber sofern mir ggü niemand illoyal ist, mir permanent ins Gesicht lügt, mich beleidigt, mich hinhängt oder mir den Freund ausspannt, ist eigentlich alles ok. Rückwirkend betrachtet, bin ich bei einigen doch sehr froh, dass ich eher länger festgehalten und an das Gute geglaubt habe. Bei den anderen, die Fort sind, muss ich mir wenigstens persönlich keine Vorwürfe machen, dass ich es nicht lange genug probiert habe. Zukünftig werde ich es mit Sicherheit weiter so handhaben, auch wenn es schön wäre, manchmal schneller zu erkennen, wer nur ein Weggefährte ist und wer von Dauer ist. Naja und wer wirklich von Dauer ist, kann ich dir dann am Ende meines Lebens berichten, liebes Tagebuch.



 
 
 

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